Ich lebe in Chiang Rai, wohin es vor allem im Winter einheimische und ausländische Touristen zieht (Sehenswürdigkeiten in Chiang Rai). Mein Blog war in Vor-Corona-Zeiten deutlich besser besucht und der von mir vertriebene Thai-Crashkurs findet kaum noch Individualreisende, die leichter mit Thais in Kontakt kommen wollen.
Ich bin also von einer wichtigen Frage direkt wie indirekt betroffen: Wie wird es mit dem Tourismus in Thailand weitergehen?
Weil ich es selbst nicht wusste, habe ich ein paar Kollegen gefragt. Ich freue mich, die Antworten von 3 Thailand-Experten präsentieren zu dürfen. Meinen Senf gebe ich natürlich auch dazu.
Eine Einschätzung auf Basis von Sandbox Phuket und SamuiPlus
Von Bernd Linnhoff
Wenn meine Prognosen mehr sein sollen als Kaffeesatzleserei – worauf kann ich bei meiner Einschätzung bauen? Ich sehe die ersten Resultate der beiden Modellversuche einer vorsichtigen touristischen Wiederöffnung des Landes: Sandbox Phuket und Samui Plus (inklusive Koh Phangan und Koh Tao). In beiden Fällen blieben die Resultate unter den Erwartungen aller, die dort vom Tourismus leben. Das heißt nicht, dass die beiden Versuche sinnlos waren. Versuch und Irrtum sind normal in einer Situation, die es so noch nie gab.
Im Moment steht Thailand – überwiegend selbstverschuldet durch das Versagen der Regierung bei der Impfstoffbesorgung und dem generellen Handling der Covid-19-Situation, eine desaströse Kommunikation eingeschlossen – vor dem Problem vieler Länder: Wie finden wir das passende Verhältnis zwischen der Öffnung für Touristen und dem Risiko neuer Infektionen und einer möglichen Überbelastung des Gesundheitssystems?
Derzeit scheint das Prinzip zu lauten: Duschen ja, aber nicht nass werden. Ein Schritt vor, zwei zurück. Bei milde steigenden Neuinfektionen wie auf Phuket werden Bars und Restaurants geschlossen. Und die Touristen, die trotz heftiger Restriktionen den Weg in Phukets Sandkasten gefunden haben, stehen plötzlich vor verschlossenen Türen und posten in den sozialen Medien: So haben wir nicht gewettet, Thailand!
Jeden Tagen rufen mich Freunde und Bekannte aus der Heimat an: Wann können wir endlich wieder nach Thailand? Die Sehnsucht ist groß. Thailand-Fans in aller Welt verfolgen genau, wie dieses Land mit der Krise umgeht. Bei allem Wohlwollen werden sie künftig bei der Wahl ihres Reiseziels Gesundheit und Sicherheit stärker berücksichtigen als zuvor schon – Faktoren, bei denen Thailands Image gelitten hat.
Mein grobes Fazit: Wenn Thailand in den kommenden Monaten, wie von der Regierung angekündigt, für geimpfte Ausländer sukzessive wieder öffnet, wird es sich mit vorerst bescheidenen Zahlen zufrieden geben müssen. Das Feedback der ersten Touristen wird darüber entscheiden, ob die Zahlen steigen. Ich hoffe von Herzen, dass die Herzlichkeit der Thais stärker durchschlägt als die Wirkung des Virus. Damit viele Menschen in diesem schönen Land endlich wieder eine Perspektive haben.
Tourismus in Thailand mit Covid-19
Von Matt Abold
Wie wird der Tourismus sich in Thailand entwickeln? Wird es ein Umdenken weg vom Massentourismus und hin zum umweltschonenden Langzeittourismus geben? Oder ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass es ein weiter so mit Full Moon Party und zu erwartenden 70 Mio. Touristen in 10 Jahren geben wird? Letzteres wäre wirtschaftlich, gerade nach Covid-19, eine schnelle Lösung, die langfristig aber eher am Ast sägen, auf dem man sitzt, bedeutet.
Covid-19 hat gerade am Golf von Thailand gezeigt, wie schnell sich die Flora und Fauna erholen kann, wenn keine Touristen mehr kommen. Sichtbar saubereres Wasser, viel weniger Umweltverschmutzung gehen einher mit einer steil ansteigenden Arbeitslosigkeit in diesen Touristengegenden. Es gibt Anzeichen, dass die thailändische Regierung nicht alles dem Wirtschaftlichen unterordnet, aber viel interessanter scheint zu sein, dass Covid-19 die Reise- und Touristenindustrie zwingen wird, Urlaub anders zu definieren.
Wie es aussieht, wird Thailand und viele andere Länder in naher Zukunft nur noch Geimpfte ohne Quarantäne ins Land lassen. Dies macht den Familienurlaub mit kleinen Kindern fast unmöglich, denn wer möchte seine Kinder 1 bis 2 Wochen in Quarantäne geben, wenn der ganze Urlaub nur 3 Wochen dauern wird. Kurzfristflugreisen, typisch für den Massentourismus, haben unter dem Gesichtspunkt Pandemie, ein weitaus höheres Risiko als ein Langfristurlaub. Zudem können neue Viruseinschränkungen jederzeit von heute auf morgen im Zielland, wie auch Heimatland eingeführt werden, was eine mittelfristige Planung erschwert.
Neue Lösungen müssen her, damit nicht nur zeitunabhängige Rentner in Zukunft exotische Länder wie Thailand bereisen können. Hier zeigt uns auch wieder Covid-19 den Weg, da Homeoffice nicht nur aufs Zuhause beschränkt ist. Leben und arbeiten im Ausland, ob alleine oder mit Familie klingt für viele charmant.
Neugierig geworden? Den ganzen Beitrag von Matt gibt es hier
Wann kann man in Thailand von “nach Corona” sprechen?
Von Alexandra Sefrin
Das Land hat viel dafür getan, Phuket, Ko Samui, Ko Pha-Ngan und Ko Tao für einen sicheren Urlaub zu wappnen, aber leider das restliche Land dabei vergessen. Bei einer Impfquote von nicht mal 10% und einer hohen Inzidenz, ist an eine Normalisierung im Land und somit auch im Tourismus noch lange nicht zu denken. Mit den Maßnahmen wurde der Pauschaltourismus weiter gefördert und der Individualtourismus, der auch den restlichen Gegenden von Thailand zu Gute kam, weiter beschnitten.
Da Thailand in den letzten Monaten mit stark eingeschränktem Tourismus leben musste, haben sich bestimmt eine Menge Menschen neu orientieren müssen, um überhaupt überleben zu können. Zu viel ist und war an den Tourismus gekoppelt – das wird nicht spurenlos geblieben sein. Ein positiver Aspekt könnte sein, dass man in Zukunft den Tourismus wieder mehr schätzen lernt und die Natur sich erholen konnte. Als jemand, der nicht im Land lebt, ist es schwierig zu beurteilen, ob Thailand die Zeit genutzt hat, sich unabhängiger vom Tourismus zu machen.
Eine Rückkehr zur Normalität ist für mich noch nicht absehbar. Damit wieder Menschen wie wir, die gerne auf eigene Faust durchs Land reisen, nach Thailand zurückkehren, muss die Regierung dafür sorgen, dass die Bevölkerung in den Großstädten und auch auf dem Land geimpft wird. Mit den Einschränkungen, die zurzeit gelten, mag man ja nicht wirklich Urlaub dort machen und kann es auch nicht mit gutem Gewissen, da die Gefahr zu groß ist, dass sich Corona munter weiterverbreitet. Uns liegt immer viel daran, Land und Leute kennenzulernen, das geht aber nur, wenn man auch so reist wie die Thais und Kontakt zu ihnen hat.
5 Thesen zur Zukunft des Tourismus in Thailand
Von Stefan
Auch ich kann die Zukunft nicht vorhersagen, habe aber auch diesmal einen Eindruck oder besser gesagt ein Gefühl, wie das werden könnte. Wir werden sehen, ob ich richtig gelegen sein werde.
1 Es wird kein „nach Corona“ geben.
Diese Seuche wird bei uns bleiben. Der neulich von der thailändischen Regierung veröffentlichte Paradigmen-Wechsel, zielt genau darauf ab. Von „zero covid“ zu „wir werden lernen damit zu leben.
Das bedeutet auch, dass es weiterhin einschränkende Vorsichtsmaßnahmen im Tourismus wie im täglichen Leben geben wird.
2 Die Resilienz des thailändischen Tourismus
Wer hat eigentlich den Begriff „Teflon-Land“ geprägt? Wie viele Katastrophen und Wirtschaftszusammenbrüche hat Thailands Tourismusindustrie schon verkraftet? Auch diesmal werden die Touristen wiederkommen.
3 Eine Chance verpasst
Mit diesem tiefen Einschnitt hätte es die Möglichkeit gegeben auf eine neue Art des Tourismus zu setzen. Öko-Tourismus hätte es werden können (okay, bei einer Flugzeit von mindestens 8 Stunden vielleicht kritisch zu sehen).
Meines Erachtens bietet medizinischer Cannabis die Chance, eine neue Zielgruppe zu erreichen. Die Anfänge dazu sind auch schon gemacht. An mehreren Universitäten in Thailand gibt es dazu Forschungsgruppen, unter anderem auch an der Rajabhat-Universität hier in Chiang Rai. Leider läuft der Prozess hin zu dieser Art von Industrie zu langsam.
4 Flexibilität gefragt
Flexibilität – die Herausforderung des Jahrhunderts – wird auch verstärkt im Tourismus gefragt sein. Unser aktueller Lieblingsvirus bringt ständig neue Mutanten hervor. Diese werden mal mehr mal weniger gefährlich sein. Entsprechend wird es mal hier, mal dort plötzlich Einschränkungen geben.
Schauen wir doch mal in unserer Glaskugel auf Phuket. Mit ein paar der eine Millionen Touristen wird eine fiese Omega-Variante auf die Insel kommen. Plötzlich steigt die Anzahl der Erkrankten auf den Intensivstationen rasant an. Die Insel muss für eine Zeitlang geschlossen werden, um die Verbreitung über ganz Thailand zu bremsen.
Nur Fiktion? Hoffentlich.
5 Nur Geimpfte werden kommen
Thailands Regierung muss das Land schützen. Das bedeutet auch, dass das Gesundheitssystem vor zu vielen ernsthaft Covid-Erkrankten geschützt werden muss, damit andere Erkrankte die Chance auf eine adäquate Behandlung bekommen können.
Daher wird es in Zukunft irgendwann eine klare Regelung geben: Nur Geimpfte werden ins Land gelassen. Zusätzlich werden neue Impfungen für neue Varianten nötig sein.
Ist das fair? Weiß ich nicht; es gibt gute Gründe. Haben nicht Alle das Recht zu wählen? Ja, die wählen dann nicht nach Thailand zu kommen (oder bleiben im Moment noch 2 Wochen im Zimmer eines ASQ-Hotels). Reiben sich die Vorstände der Pharmaunternehmen die Hände vor lauter Gier? Die glühen schon.
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Bei allen Betrachtungen liegt der Focus auf dem Tourismus. Doch jetzt waere die Chance durch neue Wirtschaftsfelder und da liesssen sich in Thailand einige entwickeln zB, Chemie, IT, e Mobilität…, die Wirtschaft von der Tourismuslastigkeit zu befreien. Dazu braucht es neben kreativen Investitionen, int Fachkräften vorallem hohe Anstrengungen in Bildung und Ausbildung.
Richtig, Wolf. So sehe ich das auch. Dann könnte es sich Thailand auch leisten, sanften Tourismus einzuführen. Als ich in den 80ern zum ersten Mal auf Phuket war, durfte dort kein Gebäude höher als eine Palme sein. Das und die Beschränkung der Hotelflächen + weiterhin Sperrung der Nationalparks für ein paar Monate pro Jahr würde schon viel bringen.