Karaoke hat für mich immer etwas leicht anrüchiges, weil einige Bordelle als Karaoke-Bars getarnt sind, wie ich es z.B auf Koh Lanta gesehen habe oder von Bangkok gelesen habe. Auch hier am Highway südlich von Mae Sai scheinen ein paar der nachts mit bunten Lampen gekennzeichneten Karaoke-Bars eher Abschleppschuppen zu sein. Zumindest sehen die Mädels, die davor stehen, genauso aus, wie die auf Koh Lanta: immer sehr enge und knappe Kleider und meist ein wenig zu geschminkt.
Aber es gibt auch alles andere als anrüchige Plätze, wo man das Singen mit Mikrofon zur Musik praktizieren kann. Z. B. in Karaoke-Kabinen in den großen Einkaufszentren. Ja, richtig gelesen, Kabinen. So wie in Deutschland in den Videokabinen der Sex-Läden (ja, das habe ich mir mal auf der Reeperbahn angeschaut). Nur, dass man sich hier zu zweit oder dritt in die schalldichte Kabine setzt, um dann die aktuellen und beliebten Thai-Hits nachzusingen. Mit Mikrofon versteht sich.
Auch Firmen- oder Abteilungsausflüge scheinen nicht ohne Karaoke auszukommen, wie es z.B. auf der Strandpromenade in Baan Krut erleben durfte. Letztes Jahr verbrachte ich in der Regensaison ein paar Tage in einem Bungalow-Ressort. Es war wenig los, aber in den wenigen Tagen kamen immer wieder Busse besetzt mit Thaigruppen in einheitlichen Poloshirts mit Firmen-Logo. Am Strand waren Tische und eine Bühne aufgebaut, wo es erst ein vielfältiges Essen und danach ein weniger vielfältiges Karaoke gab.
Karaoke ist in Thailand wirklich sehr beliebt und es scheint auch jeder Haushalt eine Karaoke-Anlage mit kräftigem Verstärker zu besitzen. Einer meiner Nachbarn lud regelmäßig Freunde ein. Es wurde gegessen und getrunken und ab einem bestimmten Pegel wurde eine DVD mit alten Heulern eingeworfen. Einmal saß ich dabei. Leider, leider gab es keine englischen Songs (Wer da jetzt eine gewisse Ironie herausliest, hat vollkommen Recht).
Gestern bin ich dann zum ersten Mal in meinem Leben tief in die thailändische Kultur eingetaucht. Auf der privaten Feier einer Bekannten gab es neben leckerem Essen und kaltem Bier auch – wie sollte es anders sein – Karaoke. Die Qualität der Sänger ist – naja, wie soll ich sagen – wichtig für den Genuss? Ganz anders bei Thailändern. Es scheint eher um Sanuk (Spaß) zu gehen und sicherlich auch um die Selbstdarstellung. Nun, gestern waren im Gegensatz zu häufig erlebten (noch häufiger auf dem Balkon sitzend gehörten) miserablen Darbietungen, die Sänger echt gut. Außerdem bewundere ich diese Sänger für ihr enormes Repertoire. Und genau an solch einem Abend meint der Stefan er müsste jetzt auch mal. Zum ersten Mal überhaupt. „Country Roads“ konnte ich noch einigermaßen mitsingen, bei „We are the world“ hat es nur zum Refrain gereicht. Zum Glück hatte ich die tatkräftige Unterstützung meiner Kollegen, die dann auch übernommen haben. Dadurch hielt ich dann die Qual für die Zuhörer in Grenzen. Und vor allem „mai pen rai“, macht nix, ich bin ja in Thailand.