Das ist schon interessant. Da lebe und arbeite ich zum ersten mal im Ausland und schon nach 2 Monaten habe ich ein Gefühl von Alltag. Dabei bin ich immer noch beim Ankommen in diesem exotischen Land. Das hört sich widersprüchlich an – ist es auch. Auf der einen Seite habe ich einen sehr geregelten Tages- und Wochenablauf. Wegen der Regenzeit sind größere Ausflüge nicht sinnvoll. So arbeite ich von Sonntag bis Donnerstag hauptsächlich im Büro. Danach gehe ich zum Abendessen mit den Kindern und dem Team (Patu ist so eine geniale Köchin – wenn man Thai-Essen mag). Meist spiele ich danach noch mit den Kids bevor sie duschen und Hausaufgaben machen. Das Trampolin ist während der Regenzeit abgebaut (schluchz), dafür gibt es Federball, Tischtennis oder auch mal eine witzige Dame-Variante für Kinder (auf einem Tisch mit Schachbrettmuster). An meinen freien Tagen fahre ich Fahrrad, kaufe ein, putze, geh mit den Kids klettern und gehe auch mal abends aus. Irgendwie alles ganz normal. Außer eben, dass es im Norden von Thailand stattfindet.
Wenn ich über die Reisfelder fahre und den Leuten bei der beschwerlichen Arbeit zuschaue, wenn ich die Kids sehe, wie sie am Samstag ihre Wäsche mit der Hand waschen, wenn ich auf der Speisekarte eines ganz normalen Restaurants nur 2 Gerichte kenne, wenn mich die Kinder auf der Straße mit großen Augen anschauen bloß weil ich ein Farang (ein Weißer) bin, wenn ich mal wieder kein Wort verstehe, wenn meine thailändischen Kollegen etwas zu mir sagen, dann – ja dann weiß ich wieder, dass ich in der Fremde bin. Und das durchaus im positiven Sinn. Das fremdartige, exotische ist doch immer wieder reizvoll.
So scheint das auch für die BAAN DOI Kids zu sein. Wenn mal Besuch aus der Schweiz einen Bildband über dieses wunderschöne Land mitbringt oder ich mal Fotos von mir zeige, sind die Kinder sehr neugierig und interessiert. Da kommt dann schon mal ein ooohhh und aaaahhh bei einem herrlichen Bergpanorama mit Schnee (gibt es nicht in Thailand) oder ein Kichern, wenn sie mich in Paddelausrüstung sehen.
Ich fühle mich wohl mit den Kindern. Auch wenn es noch ein paar Monate dauern wird bis ich mich sprachlich richtig verständigen werden kann, so hat sich doch durch das Spielen und den Englischunterricht zu einigen eine gute Beziehung entwickelt. Da ist mit ein paar Jungs das „Gimme five“ zum Ritual geworden oder wir haben gemeinsam auf dem Trampolin ganz neue Spiele entwickelt (und viiiiiiel gelacht dabei).
Nach wie vor habe ich das Gefühl hier richtig zu sein. Irgendeine Kraft in meinem Leben wollte, dass ich hierher komme. Ich habe immer noch nicht richtig verstanden warum. Aber eines ist klar: ich lerne mal wieder ungeheuer viel. Über mich, meine Grundbedürfnisse, die Abhängigkeit meines Selbstwertgefühls von Leistung, über HIV und AIDS, über Kinder, über Liebe, über den Wert von Familie und Freunde, von Gesundheit …